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Die Geschichte vom kleinen Mann ohne Geschichte

Am Abend des Vortages des letzten Tages seines Lebens steht der kleine Mann am Hausdach. Er hat zuletzt den Inhalt des Badezimmerschränkchens aufgefressen samt den Pasten, Tiegeln, Tuben, samt den Scharnieren, hat sich ins Bett gelegt und gewartet. Er hat ein Foto betrachtet, er hat die Frau darauf belächelt, den Typ milde beschimpft. Die Frau trägt einen Hut, der viel zu groß ist für die Öffentlichkeit, der Typ trägt sie im Arm. Die Frau trägt ihren Hut auch jetzt noch, als der kleine Mann am Dach steht, müd und grau und samt Scharnieren, sie schielt aus einer Ecke. Er hat sie, noch in der Wohnung, betrachtet, geseufzt, sie eingepackt. Er hat sich den Blick in den Spiegel verwehrt. Er hat trotzdem gezögert beim Vorbeischritt. Er hat das Glas gestreichelt, sich verabschiedet von dummer Oberfläche. Am Treppenabsatz zum Dach hat er das Foto aus dem Rahmen gezogen, den Typ zerrissen, er hats schneien lassen durch den Liftschacht. Die Frau hat er platziert im Augenwinkel. Nichts zurücklassen, sagt der kleine Mann, sie lächelt. Sie kennen sich nicht, da fällt das Lächeln immer leichter. Er denkt ans Mutterlächeln, denkt an Umdrehn und ins Nebenzimmer, er denkt ans Träumen von früher, viel früher ist kleiner kleiner Mann und Mutter jung, ist: gemeinsam, ist anders als zuletzt. Er denkt ans Hocken im Nebenzimmer und warten. Am Morgen des letzten Tages des Mutterlebens ist er spät aufgestanden, er hat ihr beim Sterben zugesehn, ihre Kleider entsorgt, er hat zuletzt den Inhalt ihres Badezimmerschränkchens aufgefressen, nichts zurücklassen, er hat keinen Abschied genommen, er ist aufs Dach.

Autor: unbekannt

 

© Tanja Blixen

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